Vijnana Bhairava

Vijnana Bhairava

Upayas – Dharanas – Mittel der Erkenntis

Vijnana Bhairava - Tattva-Vidya.de

 

 

Vijnana Bhairava oder „Das Gewahrwerden des Göttlichen“ ist einer der bedeutendsten Texte des Kashmir Shaivismus. Hier werden unterschiedliche Mittel aufgezeigt, die auf dem Weg zur Erkenntnis angewandt werden können. Wie sehr oft in den Texten der östlichen Weisheitslehren, werden Wissen und Erkenntnis durch Frage und Antwort vermittelt.

 

Im Vijnana Bhairava findet der Dialog zwischen der Göttin Bhairavi (Shakti) und dem Gott Bhairava (Shiva) statt. Die Göttin sagt zu Bhairava, dass sie alle bedeutenden Texte studiert habe, die existentiellen Zweifel dennoch nicht verschwunden seien.

Diese Beschreibung zeigt einen Zustand, in dem Wissen vorhanden ist, das jedoch, ohne die entsprechende Erfahrung, trocken und leer geblieben ist. Ein Zustand den Suchende immer wieder einmal erfahren.

Und so richtet die Göttin Bhairavi folgende Frage an Bhairava :

„Mit welchen Mitteln kann der höchste Zustand verwirklicht werden?“

Und Bhairava  antwortet darauf mit 112 Dharanas (164 Verse).  Jede Dharana ist eine prägnante Beschreibung davon, worauf die Konzentration, in welcher Weise, gerichtet werden soll und welcher Bewusstseinszustand dabei entsteht. Die Dharanas können in Gruppen eingeteilt werden, von denen jede eine andere Schicht des Bewusstseins anspricht.

 

Die Schichten des Bewusstseins

  • Die äußerste Schicht steht mit den Handlungen, die in der Welt getan werden, in Verbindung.  Also geht es hier um den physischen Körper. Die Entsprechung dazu ist der Wachzustand.
  • Die nächste Schicht steht mit dem Geist in Verbindung, der zum mentalen (oder feinstofflichen) Körper gehört und im Denken und im Traum erfahren wird.
  • Die dritte Schicht ist der kausale Körper, der Bereich des Willens und des Unterscheidungsbewusstseins. Dieser Körper kann als wertfreie Beobachtung und im Tiefschlaf erfahren werden.
  • Und jenseits dieser Drei ist das Selbst.

Je nach Entwicklung des Menschen liegt der Schwerpunkt auf einer der Schichten. Ist jemand im Selbst zentriert, gibt es nichts mehr zu tun. Alle Theorie hat sich in der Erfahrung aufgelöst. Dies wird Verwirklichung genannt.

 

Die vier Upayas

Die 112 Dharanas zielen in allen Schichten des Bewusstseins auf die Erkenntnis des Selbst ab. Die, den einzelnen Schichten zugeordneten Wege der Erkenntnis, werden Upayas genannt.

Anupaya –  „Der Weg des Wiedererkennens“

Auf diesem Weg muss nichts getan werden. Die Shakti (die Kraft Shivas) ist hier so stark, dass die Erläuterung der Wahrheit – wenn sie durch einen Verwirklichten erfolgt –  ausreicht, um das Selbst wiederzuerkennen.

Shambhavopaya – „Der Weg von Shambho“ (ein Name Shivas)

Shiva ist reines Bewusstsein. Auf diesem Weg konzentriert sich der Suchende auf das Shiva-Bewusstsein, das frei von Gedanken ist. Durch Einsetzen seines Willens taucht er immer wieder in den gedankenfreien Raum ein. Gedanken, die aufsteigen, beachtet er nicht sondern konzentriert sich auf das Hintergrundbewusstsein.

Shaktopaya – „Der Weg von Shakti“

Dieser Weg betrifft Suchende, die durch irrtümliches Verständnis mit Körper und Geist identifiziert sind. Um sich aus dieser Bindung zu befreien, arbeitet der Suchende mit den Inhalten seines Geistes, indem er sich darin übt, den Hintergrund von Gedanken zu erfassen und so zu neuem Verständnis zu gelangt.

Anava Upaya – „Der Weg der gebundenen Seele“

Die Instrumente der Sadhana sind hier Körper, Geist und Atem. Pranayama, Puja– und Karma-Yoga und vieles aus dem Patanjali-Yoga gehört zu dieser Upaya. Die individuelle Seele wird hier gestärkt, bevor sie sich der Wirklichkeit zuwendet, die jenseits von Körper und Geist liegt.

Die Einteilung in Gruppen ist nicht dazu gedacht, sich selbst oder andere zu bewerten. Jeder Mensch geht auf seinem Weg zum Selbst durch alle Bewusstseinszustände hindurch – nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

 

Die Vorgehensweise des Kashmir-Shaivismus

Im Kashmir-Shaivismus wird immer zuerst die höchste Perspektive gezeigt. Kann diese nicht aufgenommen werden, folgt die nächste Ebene und so weiter. So auch bei der Beschreibung der Upayas. Dies ist eine sehr bedeutende Vorgehensweise, da von einer niedrigeren Ebene aus betrachtet, die Höhere nicht erkannt werden kann.

 

Dharana

Jede Woche erscheint oben rechts eine neue Dharana. Ihr könnt sie in Eure Woche mit hinein nehmen und zwischendurch immer wieder einmal die Konzentration auf die Kernaussage richten. Macht euch dafür bereit die Dharana aufzunehmen, indem ihr euch mittig ausrichtet, das Gewicht gleichmäßig auf die beiden Körperhälften verteilt und den Rücken aufrichtet.

Lest die Dharana in Ruhe – vielleicht auch mehrmals – dann konzentriert euch auf die Übung beziehungsweise auf die Bedeutung der Kernaussage…  

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